07.03.2021 | Essay und Diskurs – Über Bücher und andere Medien
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Warten auf die Wirkung
Bücher haben Zeit. Sie können vergessen und wiederentdeckt werden, und weder sie noch die Menschen, die sie lesen, verlieren dadurch unbedingt etwas. Oft gewinnen sie sogar. Ein Versuch über die gewinnbringende Sperrigkeit und Bescheidenheit eines altmodischen Mediums.
Von Florian Felix Weyh
Im Sammelbegriff „Codex“ zusammen, alle analog-elektronischen im „Großen Rauschen“ und die digitalen im „Instatoc“.
Twitter ist demnach nur ein Spross – allerdings ein stachliger – des amorphen, ständig seine Gestalt wandelnden Geflechtes Instatoc, dessen Kernmerkmal aus totaler Vernetzung besteht. Nicht die Vernetzung an sich stellt indes das Problem dar; ihr Tempo ist es.
1809 entfuhr dem Hamburger Jahrhundertchronisten Ferdinand Beneke in seinem Tagebuch ein Stoßseufzer der Beglückung:
„Herrliche Erfindung des BuchDrucks! wie isolirt standen die Geister, ehe Du sie einigtest.“
In der Tat wäre die moderne Menschheitsentwicklung ohne den Buchdruck unvorstellbar gewesen:
Ich muss mich nicht mehr mit anderen Denkenden an einem Ort versammeln, ich kann mit ihnen über Räume und Zeiten hinweg zusammen denken.
Diese Vernetzung durch Druckwerke ist reflexionsfreundlich. Mag man sich auch noch so über ein gegnerisches Statement ärgern, der langsame Reaktionsweg schleift diesen Ärger ab.
„Es gibt Medien, in denen der Geist darstellbar ist, und Medien, in denen er nicht dargestellt werden kann“, heißt es bei Uwe Jochum,
als Bibliothekar Kronzeuge des Codex. Geist ist für ihn an Abgrenzung, Reifezeit und Materialität gebunden.